Ein Plädoyer für die Sau
Der Sommer zeigt sich dieses Jahr ja von seiner raren Seite. Nur ab und zu schaut er vorbei und beglückt uns für ein paar Tage mit Sonnenschein, bevor er uns wieder dem kalten Regen überlässt. Als bezeichnender Grillfreund, der seinem Rost auch im Winter Feuer unter dem Hintern bläst, kann mich die miese Laune des Sommers aber nicht vergraulen. So fröne ich auch bei kälteren Graden mit Hochgenuss den zischenden Grilladen.
Kürzlich hatte ich den Grillklassiker Schlangenbrot neu interpretiert und zusammen mit einer rassigen Salsa aus Kohlrabigrün serviert. Das Rezept findet ihr hier. Heute präsentiere ich euch einen weiteren Renner aus meiner Jugendzeit, den ich auch heute noch genauso schätze. Mit dem warmen Gras zwischen den nackten Füssen und einem kühlen Bier in der Hand passt am besten ein Fackelspiess vom Grill auf den Teller.
Nüchtern betrachtet eignet sich der zwar prima um eine ganze Sau abzustechen. Und der Vergleich ist gar nicht mal so weit her geholt. Der Star in diesem simplen, aber auf jeder Grillparty überzeugenden Gericht ist nämlich der oftmals verpönte Schweinehals. Diejenigen, die ohne Bedenken zu fertig mariniertem Fleisch von der Tanke greifen, die kennen diesen Cut wohl bereits. Mit der feuerroten Fertigmarinade, meist viel zu salzig und schlicht langweilig, hat das hier aber nichts zu tun. Finger weg davon!
Heute geht es dem Säuli also an den Hals. Schweinefleisch ist momentan so günstig wie schon sehr, sehr lange nicht mehr. Schuld daran ist offensichtlich niemand. Ganz sicher nicht der Konsument. Der Konsument trägt eine ganz andere Schuld: er konzentriert sich beim Kauf viel zu sehr auf die Edelstücke. Das Filet und das Nierstück aber machen lächerliche 1% (!) des gesamten Tieres aus. Das diese Rechnung nicht aufgehen kann, dafür muss niemand studiert haben…
Aber warum schätzt denn eigentlich niemand mehr den Wert eines guten Stücks Schwein? Aus Dummheit, Kochfaulheit oder –und das tut am meisten weh- aus vergessener Tradition? Weshalb gibt es zig Köche und Hausfrauen die für ein Curry-Geschnetzeltes langweiliges und verwässertes Poulet- oder schier geschmacksneutrales Kalbfleisch verwenden? Ich kenne Leute die proklamieren mit grosser Klappe: „Ich esse kein Schweinefleisch, ich mag das nicht!“. Und wenn ich erstklassigen Jamón Serrano de Bellota oder meinen besten Culatello von Nero-di-Parma-Schweinen auftische, lecken sie sich gierig die Finger nach dieser königlichen Delikatesse. Bei so viel Arroganz/Ignoranz bleibt mir meist die Spucke weg.
Oder um es mit dem Schlusssatz aus George Orwells fabelhafter Erfolgssatire „Farm der Tiere“ zu sagen: „Die Tiere draußen blickten von Schwein zu Mensch und von Mensch zu Schwein, und dann wieder von Schwein zu Mensch; doch es war bereits unmöglich zu sagen, wer was war.„
Immerhin: es brennt ein kleines Lichtlein am anderen Ende des Schweinestalls. Seit einigen Jahren hat die Spitzengastronomie das Schwein (und auch dessen eher verschmähte Teile) wieder für sich entdeckt und setzt damit ein Zeichen. Es bleibt zu hoffen, dass es auch beim Endkonsumenten ankommen wird. Bis dahin versuche ich mich selbst als Botschafter und lege euch das nachfolgende Rezept wärmstens ans Herz.
Tatsächlich kann man solche Fackelspiesse hierzulande fixfertig mariniert in beinahe jeder Metzgerei oder an der Fleischtheke im Migros oder Coop kaufen. Sie lassen sich allerdings auch ohne grossen Zeitaufwand selber zubereiten und finden bei jedem Grillfest reissenden Absatz. Am besten bereitet ihr gleich eine genügend grosse Menge zu. Wetten, dass jeder einen probieren will?
Dazu reiche ich eine simple Sauce mit Brombeeren. Die haben gerade vollste Saison und schmecken direkt aus dem heimischen Garten besonders gut. Übrigens: besonders viel Schweinisches kocht zur Zeit Nicole vom Blog zum fressn gern. Unbedingt mal reinschauen!
Fackelspiess
Für 4 Personen
- 8 dünne Plätzli vom Schweinshals (ich: Emmentaler Wollschwein) à ca. 60 g
- 200 g Kalbsbrät
- 2 EL Rosmarinnadeln, fein gehackt
- 2 EL Rauchsalz (ersatzweise normales Meersalz)
- 2 EL Paprikapulver
- 1 TL Knoblauchpulver
- 1 TL Zwiebelpulver
- 2 EL schwarzer Pfeffer, grob gestossen
- 1 EL Rohrzucker
- 1 TL Chilipulver
- 8 grosse Holzspiesse
Die Holzspiesse in lauwarmem Wasser während ca. 2 Stunden einweichen. Sie saugen sich mit Feuchtigkeit auf und verbrennen auf dem heissen Rost weniger schnell.
Für die Würzmischung Rauchsalz, Paprika, Knoblauch- und Zwiebelpulver, Pfeffer, Chili und Zucker in einem Schälchen gründlich vermengen und beiseite stellen.
Die Plätzli mit Hilfe eines Plattiereisens oder einem Fleischhammer dünn klopfen. Dazu das Fleisch zwischen zwei Lagen Klarsichtfolie geben, damit die Fleischoberfläche und -struktur nicht zerstört wird. Danach von beiden Seiten mit der Würzmischung bestreuen. Davon bleibt vermutlich etwas übrig, das könnt ihr aber gut für euer nächstes Steak weiterverwenden.
Anschliessend die Plätzli auf einem Holzbrett auslegen und gleichmässig mit Hilfe eines Löffelrückens mit dem Kalbsbrät bestreichen. Mit gehacktem Rosmarin bestreuen.
Nun die Plätzli längs halbieren und die beiden Stücke sorgfältig um jeweils einen Holzspiess wickeln und gut festdrücken. Das verwendete Brät dient hier sozusagen als Kleber. Ich wickle die Spiesse anschliessend noch eng in Klarsichtfolie ein. Das hilft, damit das Fleisch schön am Holz kleben bleibt und ihr die typische, gleichmässige Form erhält. Die Spiesse lassen sich auch gut vorbereiten, sollten dann allerdings noch nicht gewürzt werden, da ansonsten das Fleisch zu viel Wasser ziehen würde.
Grilliert werden die Spiesse vorzugsweise über Holzkohle, während 15 Minuten unter stetigem Wenden direkt über der Flamme.
Brombeersauce
- 1 TL Maizena
- 0.5 l Fleischbouillon
- 3 Esslöffel Aceto Balsamico
- 1 TL brauner Zucker
- 150 g Brombeeren
Alle Zutaten bis und mit Zucker in eine kleine Pfanne geben und unter Rühren aufkochen. Danach die Hitze reduzieren und die Flüssigkeit 8-10 Minuten einköcheln lassen. Die Brombeeren beigeben, sorgfältig verrühren und nur noch heiss werden lassen. Zusammen mit den grillierten Fackelspiessen servieren.
Was ist Hals? Was in Deutschland als Nacken verkauft wird?
Genau, als Hals bezeichnet man bei uns den Schweinenacken resp. die Steaks daraus.
Also das gute deutsche Schnitzel Wiener art. Danke für Hinweis und Rezept. Ich war nur irritiert, weil ich mal einen Hirschhals kaufte. Sehr interessante Kombination aus bissigen und zarten Muskelsträngen, aber gewiß nix zum Flachklopfen dabei.
Lieber Marco, Du solltest aber zusehen, dass solche feinen Rezepte keinem Muslim in die Hände fallen; wir hätten da ein zusätzliches Problem!
Wer weiss, ob so ein Fackelspiess auch zur Völkerverständigung beitragen könnte 😉 So oder so: mit gutem, von mir aus leicht (aber nicht zu stark!) durchzogenem Lammfleisch würde das wohl auch herrlich schmecken!
Ja, lieber Marco, mir scheint auch, wir Food Blooger müssen da immer wieder mit gutem Beispiel vorangehen und das nose-to-tail Fähnlein hochhalten. Ohne zu moralisieren (wir sind schliesslich keine Veganer), sondern um den Tieren den Respekt zu zollen, den sie verdienen.
Tolle Spiesse, ich bekomme gleich wieder Appetit.
Liebe Grüsse,
Andy
Ist ja eigentlich mehr Nose-to-Tail für „Anfänger“ 😉 Im Prinzip gehört Schweinehals ja zu den durchaus beliebten Grillstücken im Sommer. Nur meistens eben in fragwürdiger Fertigtunke ertränkt. Vieles haben die Leute heute leider verlernt oder vergessen, deswegen rufen wir es ihnen wieder ins Gedächtnis 😉
Sehr treffend sinniert.
Ich glaube, schon einmal erwähnt zu haben, dass hier die ganze Sau – vom Schnörrli bis zum Schwänzli – auf der Fleischbank liegt. Innereien, wie in Stücken gekochtes Gekröse, sind ganz besondere Leckereien (zum Ansehen allerdings manchmal etwas gewöhnungsbedürftig).
Schweinshals ist für mich DAS Stück für einen saftigen Braten – warum nicht mal um Spiesse wickeln?! Und die Brombeersauce! Leckerlecker!
Danke, Felix! Ja, viele Teile vom Tier sind in der Tat optisch keine Leckerbissen. Bei dem Überfluss an leuchtrotem, perfekt vakuumiertem Fleisch in unseren Läden ist mir die Fremde des Konsumenten für gewisse Teile insofern nicht ganz unverständlich. Viele kennen leider gar nichts anderes mehr. Ich erinnere mich noch gut: früher, als ich noch ein Knirps war, da konnte man auch im Migros noch Schnörrli, Schwänzli und Füessli kaufen, das lag alles in der Auslage oder sauber abgepackt zum Verkauf. Das gibt’s heute wohl noch in den grossen Migis, ist ansonsten aber kaum mehr anzutreffen…
Diese Spiesse sehen sehr lecker aus! Die Brombeersauce werde ich sicher in den nächsten Tagen einmal ausprobieren. Im Garten werden jetzt nämlich die ersten Brombeeren reif..
Ja, die ersten reifen Brombeeren durfte ich eben auch kürzlich ablesen und verkochen. Das mag ich am meisten daran: ab nun gibt es täglich frische Beeren direkt ab Strauch zum pflücken 🙂
Ich mag den Nacken vom Schwein ehrlich gesagt viel lieber als das Filet. Fett ist doch der Geschmacksträger schlechthin. 🙂 Und deine Fackeln werden meinen Schwager beim nächsten Grillen ganz bestimmt entzücken!
Oh oh. Wenn Leute sagen, dass sie meine Rezepte nachkochen werden, dann macht mich das zugegebenermassen immer ein wenig nervös hehe. Aber dieses Mal bin ich mir sowieso ziiieeemlich sicher, dass das deinem Schwager prima munden wird 😉
Brombeersauce das hat was dazu!
Ich freue mich auch auf deinen Besuch bei mir!
xoxo & liebste Grüße 💙
Sina von https://CasaSelvanegra.com