What’s cooking, Colombia?
Kolumbien also. Drei Wochen Rucksackreise querlandein. Den Reise- und Kulinarikbericht schulde ich meinen interessierten Lesern noch, obwohl ich selbst gar nicht so recht weiss, wo ich eigentlich anfangen soll…
Fakt ist: Kolumbien ist grossartig! Vor mittlerweile fast acht Jahren zum ersten Mal den Fuss auf südamerikanischen Boden gesetzt, bin ich dem Zauber dieses wunderschönen Kontinents völlig erlegen und seit da zum notorischen Rückkehrer geworden. Nur Kolumbien, diesen äussersten, nordwestlichen Zipfel des Subkontinents durfte ich vor wenigen Wochen erst kennen- und liebenlernen.
Drogenmafia und Todesschwadronen, Guerillakrieg und Farc-Rebellen, Prostitution und Entführung: kaum ein anderes Land in Südamerika hat einen derart schlechten Ruf wie Kolumbien. Zu Unrecht, wie ich feststellen musste. Zwar sind oben genannte Probleme noch nicht restlos aus der Welt geschafft, aber wahr ist auch: kaum ein anderes Land hat im letzten Jahrzehnt einen bemerkenswerteren Turnaround geschafft. Kolumbien darf zu Recht als der Aufsteiger Amerikas bezeichnet werden.
Was Kolumbien ausmacht ist der natürliche Reichtum, die prächtige Flora und Fauna des Landes. Gerade, was die Natur anbelangt, ist Kolumbien schlicht paradiesisch schön! Da sind Karibikstrände, weiter weisser Sandstrand und unwahrscheinlich türkis Wasser. Zum Chill-Out vom Nichtstun ein Glas Rum mit frischem Limettensaft, braunem Zucker und ordentlich Eis – está es la vida que yo me merezco!
Da sind endlose Kaffeeplantagen, natürlich und unverbraucht, eine der ursprünglichsten und beeindruckensten Landschaften, die ich je erblicken durfte. Da sind schneebedeckte Andengipfel und tropischer Regenwald. Da sind Piratenstädte mit engen Gassen und bunten Häusern, Musik und Tanz, die vermutlich schönsten Frauen Südamerikas (okay, Argentinien nicht mitgezählt!) und vor allen Dingen: da sind Menschen, deren Fröhlichkeit, deren Unvoreingenommenheit und Offenheit mich über alle Masse beeindruckt haben.
Nicht zu unrecht lautet der Slogan von turismo Colombia: el unico riesgo es que te quieras quedar: das einzige Risiko ist, dass du bleiben willst!
Kolumbien ist zu mehr als der Hälfte mit tropischem Regenwald bedeckt und gilt als das Land mit der größten Artenvielfalt pro Quadratmeter der Welt. Diese ungeheure Auswahl schlägt sich natürlich auch in der kolumbianischen Küche nieder. Es besteht kein Zweifel: Kolumbien hat auch auf dem Teller einiges zu bieten und punktet mit einer enormen Bandbreite an regionaltypischen, äusserst vielfältigen Gerichten. Nicht umsonst bezeichnen viele Kolumbien als das Land mit der besten Kochkultur in Südamerika. Meinem persönlichen Favoriten Peru reicht es zwar nicht ganz das Wasser, aber trotzdem: in den Töpfen Colombias brodelt es gewaltig!
Natürlich liess ich es mir auch diesmal nicht nehmen, meinen Reiserucksack mit allerlei Fressalien vollzupacken, um mir ein bisschen Südamerika-Feeling in den kalten Schweizer November zu holen. Mitgebracht habe ich folgendes:
- 1 kg tomate de arból (Baumtomaten, orange-rote Frucht mit süss-herbem Geschmack)
- 1 kg guyaba pera (rosa Birnen-Guave, mit intensivem Birnen-Aroma)
- semillas de cacao (Samen des Kakaobaums)
- panela (Melasse aus verkochtem Zuckerrohrsaft)
- maíz blanco cuchuco (weisser, grober Maisschrot)
- pasta de tamarindo (konzentriertes Tamarindenmark, leicht gesüsst)
- ají de uchuva (süss-saure Chili-Sauce mit Physalis)
- quinua blanca (weisses Quinoa)
- harina precocida de maíz blanc0 (vorgekochtes, weisses Maismehl)
- achiote (Samen sowie Saft des Annatto-Baumes)
- miel del bosque seco (aromatischer Waldhonig)
Im Endeffekt hatte ich daheim mehrere Wochen Zeit, um mir intensiv Gedanken über das nachfolgende Gericht zu machen. Nur eines gleich vorweg: diese Speise hat so ziemlich rein gar nichts mit der typisch kolumbianischen Küche zu tun und selbst nach langem, langem Suchen wird man wohl keine der oben genannten Komponenten in dieser Weise weiterverarbeitet auf Kolumbiens Tellern vorfinden.
Aber, obwohl das Gericht nicht wirklich ein kolumbianischer Klassiker, sondern mehr eine avantgardistische Escapade culinaire meines Schaffens ist, so vereint es doch auf herrliche Art und Weise die typischen Aromen eben dieser Landesküche:
rape apanado con semillas de cacao y panela | salsa agridulce de tamarindo y miel | polenta de maíz blanco natural | aguacate asado con su espuma | banano salteado con crujiente de quinoa y achiote | chutney de tomate de arból
Zu deutsch übersetzt in etwa:
Seeteufel im Kakaobohnen-Zuckerrohr-Mantel | süss-saure Sauce aus Tamarinde und Honig | weisse Polenta | grillierte Avocado mit Avocado-Espuma | knusprige Bananen, paniert mit Achiote-Quinoa | Baumtomaten-Chutney
Die Idee Fisch mit Schokolade zu panieren habe ich mir übrigens bei Virgilio Martínez abgeschaut. Er ist momentan so etwas wie der aussteigende Stern am peruanischen Kochhimmel. Anfangs Jahr durfte ich ihn in Zurich an der Chef Alp’s 2014 treffen, wo der Teufelskerl einen Ceviche serviert hat, der seinesgleichen sucht. Frischer, roher Fisch, leicht paniert mit Kakaopulver auf einem Tapaslöffel mit Tigermilch (Marinade auf Basis von Limettensaft-Mandarinensaft) serviert. Sobald man sich den Löffel in den Mund steckt, beginnt der Fisch quasi im Mund drin dank der Limettenmarinade zu „garen“ bzw. das Eiweiss denaturiert und so den Garprozess in Gang setzt. Ziemlich crazy, aber genau wie ich es mag!
In meinem Fall hätte es ein Hauch weniger Kakaosamen auch getan, obwohl der Seeteufel dem dominanten Aroma ziemlich gut stand hielt. Die süss-saure Sauce aus Tamarinde und Honig hat mit dieser Aromatik ebenfalls ganz erstaunlich gut harmoniert. Reissenden Beifall fanden ausserdem die im Quinoa-Mantel knusprig ausgebratenen Bananen. Und dass Bananen und Avocado gute Freunde sind, ist ja längst eh kein Geheimnis mehr. Das Baumtomaten-Chutney wird ausserdem auch während der anstehenden Raclette-Saison ein heiss begehrter Tischgast sein!
Nun denn, wie auch immer. Auf die nicht ganz undenkbare Tatsache hin, dass wohl kaum jemand von euch dieses Rezept jemals nachkochen wird, verzichte ich an dieser Stelle einmal dankend auf genaue Rezeptangaben (welche ich wohl eh kaum mehr wüsste) und lasse euch anhand einiger Fotos daran teilhaben. Que aprovechen!
PS: Das Rezept für Arepas, grillierte und mit Ei, Käse oder Hack gefüllte weisse Maisfladen (quasi der heilige Gral des kolumbianischen Street Food!) stelle ich euch dann demnächst mal vor! Genauso einen etwas ausführlicheren Bericht zur „echten“ Küche Kolumbien unter meiner Rubrik Bereist.
*seufz* Südamerika, mein Sehnsuchtskontinent … Aber eher so Argentinien, Patagonien, Feuerland *g* Weit gucken, vom Winde verweht werden, Einsamkeit.
Find ich super, dass Du so viele einheimische Sachen mitgebracht hast und bin gespannt auf das kolumbianische Streetfood 🙂
Hach, Argentinien *schwelg*… Da will ich doch auch schon soo lange endlich mal wieder hin! Warst du schon mal dort?
Und der Rucksack voller local food war wirklich eine gute Idee! Noch besser, dass noch so einiges übrig ist 😉
Bin leider noch nicht über Europas Grenzen hinaus gekommen, die Familie in Ungarn ist dann doch wichtiger zu besuchen 🙂 Aber ergibt sich vielleicht einmal 🙂
Nun, an Ungarn gibt es nun wirklich rein gar nichts auszusetzen, im Gegenteil! Ich will unbedingt wieder zurück nach Budapest, die Stadt hat es mir echt angetan 🙂
Falls es Dich mal wieder nach Ungarn verschlägt, kann ich Dir auch ein paar Tipps abseits von Budapest und Balaton geben 🙂
Wau ! Diese Kreation von südamerikanischen Zutaten direkt importiert und mit viel Liebe zubereitet, einfach ein Genuss; den wir als eingeladene Gäste mit unserem Sohn an diesem Sonntagabend geniessen durften ! 🙂 Herzlichen Dank Marco, gerne wieder !
De nada, de nada! Auch bei mir: gerne wieder 😉 Und Gäste, die Wein mitbringen sind eh immer willkommen 🙂
Ha doch gwüsst,dass dir kolumbie wird gfalle😉! Dwanderig zu de ciudad perdida isch doch eifach de hammer,oder?!
Colombia,te quiero!!!
Hehe… ja ich han aso zwei, drü Mal a dich dänke müese det 😉 Han gar ned gwüsst gha, dass du de ciudad perdida Trail au gmacht hesch… häsch möge? :p
Ganz großes Staunen!!! Und wenn du es nicht gerade wärest, dann wäre ich neidisch…
Wunderbar! Ich hoffe, du bist mit dem Erzählen noch lange nicht fertig. Ich habe neulich eine Sendung mit Marietta Slomka gesehen u.a. über Kolumbien u fand das sehr spannend….
Liebe Grüße
Keine Sorge, ich könnte noch seitenweise von meiner dortigen Reise berichten. Allerdings wäre manchmal ein Ghostwriter, der einem die Arbeit abnimmt, ganz praktisch 😉
Sehr schön, interessanter Bericht, lecker aussehendes Gericht.
Achiote verkochte ich auch, hatte einige Riegel der Paste aus mexico mitgebracht. Ich mochte die Farbe und den Geschmack, den es den Gerichten gibt.
Danke, Erich! Auf Achiote stehe ich schon seit meiner allerersten Südamerika-Reise und koche sehr gerne damit. Ich mag a) genau, wie du die Farbe und b) diesen leicht blumigen Geruch besonders gerne auch in Reisgerichten! Schade, dass man hierzulande fast nirgends bekommt…
Fernweh! Nach Südamerika habe ich es immer noch nicht geschafft, weil es mich dann doch immer stärker wieder nach Mexiko gezogen hat. Dabei hätte ich eigentlich auch in vielen anderen Ländern Freunde zu besuchen. Und es scheint ja doch auch was anderes zu geben als pollo con arroz 😉
Weisst du Melanie, eigentlich stand Mexiko für diesen Urlaub auf der Prioritätsliste! Ausser Baja California kenne ich das nämlich noch nicht. Aber aus irgendeinem Grund hat sich dann Kolumbien davor gezwängt 😉 Ich bereue es keineswegs, aber irgendwann kommt dann dein geliebtes Mexico noch dran! Und übrigens, mach dir keine falschen Hoffnungen: pollo con arroz ist auch in Kolumbien DER allgegenwärtige Klassiker 🙂
Toller Bericht und schönes, sehr spezielles Gericht. Der Fernweh Pegel steigt noch mehr an!
Liebe Grüsse aus Zürich,
Andy
Merci dir, Andy! Der Fernweh-Pegel liegt bei mir eh konstant hoch 😉 Aber jetzt kommt ja die schöne Winterzeit, da geniesse ich eigentlich ganz gern die Monate daheim in der Schweiz 🙂
Ich teile mit Anikó das Fernweh nach Patagonien…..woran Bruce Chatwin nicht ganz unschuldig ist.
Tolle Sachen hast hast mitgebracht 🙂 Und Schokolade bei die Fische probiere ich aus.
Bruce Chatwin? Hat der nicht die hippen Moleskin-Notizbücher erfunden?
Versuch es mal! Bin gespannt, was du davon hältst 😉
Ne, nicht erfunden, bloß benutzt und berühmt gemacht 🙂
Achja, seufz. Es ist schon ein weilchen her, dass wir uns in Argentinien, Chile und Uruguay umgetan haben haben, weiter in den Norden haben wir es damals leider nicht geschafft, aber wer weiß… 😉
Und ob ich Fisch mit Kakao vermählen würde? Ich weiß nicht, ich bin ja für allerlei „Wildes“ zu haben, aber Fisch und Kakao???
Liebe Grüße,
Eva
He Eva, wo bleibt denn der kleine Küchen-Freak in dir? 😉 Take a walk on the wild side!
Aber ja, es ist bestimmt keine Kombi für jeden Tag, du hast schon recht!
Du hast es ja schon geahnt. Mich kriegst du tatsächlich eher mit einer deftigen Alpchässchnitte als mit Fisch im Kakaomantel. Wobei ich dein Menü inklusive Schokoladenfisch natürlich trotzdem ausprobieren würde (wenn ich es nicht selber kochen muss).
Deine tollen Fotos sind allerdings sehr verlockend. Ich wusste gar nicht, dass Kolumbien so ein schönes Land ist und dachte immer, da gibt es nur Koka-Plantagen und Drogenbarone. Aber das kommt wohl von mittelmäßigen Hollywood-Actionfilmen 😉
Genau das ist es ja: vielen ist die unberührte Schönheit dieses Landes tatsächlich nicht bewusst. Ging mir bis vor Kurzem ja genau so! Und was die Fisch-Schoggi-Kombi anbelangt: tatsächlich sind nicht alle am Tisch in Euphoriestürme ausgebrochen 😉 Aber so was gibt’s ja schliesslich auch nicht jeden Tag! 😉
Mein „Ich-bin-urlaubsreif“ Level steigt auf 1000000. Mit der Schoki-Fisch Kombi kombinierst du übrigens mein eines Lieblingsessen mit meinem anderen Lieblingsessen, i like! 😀
Ha, dann ab an den Herd und die Kombi ausprobieren 😉 Ich hoffe zudem, dass der nächste Urlaub wenigsten schon in Aussicht steht 🙂
Essen das aus dem Wasser kommt ist mir sehr suspekt, landet bei mir generell nicht auf dem Teller. Aber Schokolade, bzw. Kakao, habe ich schon mal in Gnocchis verarbeitet. 😉
Sauschöne Fotos. Wie ist das Klima dort am Äquator? Weht ein frischer Wind oder ist die Hitze drückend?
Kakao in Gnocchis? Das klingt durchaus interessant, wäre wohl genau nach meinem Geschmack 🙂 Muss ich mir mal vormerken! Das kolumbianische Klima ist durch die Äquatorlage ganzjährig keinen grossen Schwankungen ausgesetzt. Je nach Region und Höhenlage kann es aber am Abend schon kühl werden (zBsp. Bogotá) oder aber an der Karibikküste ziemlich schwül und feucht werden!